Das Telefon klingelt. Es schreit. Es schrillt eindringlich.
Egon winkt mir ungeduldig durch den Hörer zu.
Ich habe gerade wenig Zeit, denn ein Artikel will geschrieben werden,
dazu befinde ich mich zwischen zwei Reisen
und mein Brotberuf zerrt ganz gewaltig an meinen Nerven.
Doch wenn Egon schrillt, ist ignorieren zwecklos.
So frage ich den Hörer artig nach seinen Wünschen.

Wir brauchen Wein, schreit Egon.
Nicht wirklich, kontere ich, denn mein Keller ist voller Raritäten.
Neuen Rotwein, mault der Hörer.
Neuen Wein, lache ich. Wo hast Du den denn dieses Mal entdeckt.
Eine neue Rebsorte, quengelt Egon. Er gibt nie auf.
Ach ja, sag ich, dann spann mich nicht auf die Folter,
sonst kann ich nicht beurteilen, ob mir das gefällt.

Malbec, ruft Egon. Er winkt mir fröhlich durch den Hörer zu.
Malbec. Ich runzle meine Stirn und antworte mit ernster Stimme.
Egon, der ist zu schwer für Dich.
Nein, gar nicht, mault der Hörer. Nicht wenn Du tolles Steak in seiner Begleitung hast.
Aha, sag ich. Wir wollen Steak und nebenbei Malbec.

Neeiiin, ruft der Hörer. Wir müssen das umfassend prüfen.

Nach langem Hin und her löst sich das Rätsel.
Egon war essen mit seinen Kollegen. Und dieses Mal war es wohl das berühmteste Steakhaus unserer Stadt. Und da der Inhaber zufälligerweise nicht nur seine Rinder selbst züchtet, sondern auch ein Weingut in Argentinien besitzt, hat Egon nun beschlossen, dass dieser Wein sein neues Eldorado ist.

Nachdem der Hörer mir ein kleines Abendessen nach der Weinverkostung versprochen hat, willige ich ein und mache mich auf die Suche.

 

Malbec. Die Rebsorte.

Die dickschalige Traube wurde lange nur zur Farb- und Tannin Gebung im Bordeaux benutzt, wo sie heute einen verschwindend geringen Anteil bestreitet. Reinsortiger Ausbau findet sich in Frankreich heute nur noch in ihrem Entstehungsgebiet Cahors, wo die Weine sehr prägend sind mit weichen Tanninen.

Die Traube liebt Wärme und ist sehr empfindlich auf Frost und Feuchtigkeit. So erklärt sich ihr Siegeszug in Argentinien, wo sie optimale Bedingungen erhält.
Importiert wurde sie 1853 zur Gründung der Weinbauschule in Mendoza und wird heute in Argentinien als ihre heimische Rebe gefeiert.

Wenig Verbreitung gibt es in Australien, Ribera del Duero und Languedoc.

Durch den ausgeprägten Tannin Gehalt der Traube braucht sie lange Reifezeiten, um ihr Potential zu zeigen. Das Aromenspektrum reicht von Wacholder, Nelken Lorbeer, Pfeffer über Bitterschokolade, Nüssen, Lakritz zu fruchtigen Komponenten mit dunklen Beeren.

Die Weine brauchen Zeit, sich zu entwickeln und Hingabe des Verkostenden.
Sie begleiten hervorragend dunkles Fleisch, teils geschmort, teils kurzgebraten, kräftige Saucen und würzige Beilagen.

 

Egon und Malbec

Hier sind unsere neuen Funde. Wie immer zufällig und ohne Anspruch auf Vollständigkeit.

 

2022 Croizillon (Bio)
Chateau les Croiselle, Cahors
€ 11,50 – 12% Vol.

Wunderschöne Nase mit Sauerkirsche, Rumtopf, Leder, gebrannten Mandeln, Johannisbeergelee, Heidelbeere, Jamaika Pfeffer, Zigarrenblätter, Kaminrauch.
Adstringenter Gaumenauftakt gefolgt von Rauch, Pfefferwürze, mündend in Cassis, Heidelbeere, Backpflaume, Hagebuttentee.
Im mittleren Nachhall präsente Tannine, weiche Kirscharomen und rauchiges Finish.

Eleganter Wein. Sehr schönes Etikett.

Speisen
Moussaka mit geschmortem Römersalat; Wildschein-Burger mit Estragon-Brotsalat statt Patty, gebackene Kartoffeln, Cranberry Kompott

 

2023 Malbec (Bio)
Bodega Kaiken, Mendoza
€ 7,90 – 13,5 % Vol.

Kühle Nase mit Noten von Liebstöckel, Lorbeer, Cassis, Schwarztee, gemahlenem Pfeffer, Heidelbeere, Süßkirsche, Estragon, Schnittlauch.
Ebenfalls kühler Gaumenauftakt, leichte Adstringenz, abgelöst von Zartbitter, Pflaume, Sauerkirsche.
Im mittleren Nachhall weiche lange Tannine verbunden mit rundem Beerenaroma.

Preis-Leistungs-Sieger. Entwickelt sich im Gegensatz zu den anderen Weinen aber kaum.

Speisen
Gebratenes Schweinefilet mit Feigensauce und Herzoginkartoffeln; Lammchops mit Pesto, Ratatouille, Tortilla

 

2022 Adelante
La Consulta, Mendoza
€ 17,90 – 14% Vol.

Die Nase ist sehr verhalten zu Beginn, eröffnet mit Stall, Leder, Jod, Cassis, Pfefferkörner, Lakritz.
Der Gaumen präsentiert Noten von Rauch, Pfeffer, Sauerkirsche, mündend in Noten von Cassis, Garrigue Kräutern, Zartbitter, Lakritz.
Im langen Nachhall weich mit Noten von Kirsche und Cassis, gut eingebundene Tannine, Nougatfinish mit etwas Rauch.

Überraschung. Entwickelt sich sehr langsam mit Luft.

Speisen
Wildgulasch, marinierte Rote Beete, Rosenkohlblätter, Perlgraupen-Risotto; Gebratener Rehrücken mit Waldpilzrahm, Semmelknödel

 

 

2022 Malbec Estate
Bodega Colomé, Valle Calchaquí
€ 15,90 – 14,5% Vol.

Kräutriger Auftakt in üppiger Nase, Noten von Liebstöckel, Jod, Oregano, Lorbeer, Kumin, Pfeffer, gefolgt von Kirsche, Rumtopf, getrockneten Pflaumen, Nougat, kandierte Haselnüsse.
Gaumenauftakt geprägt von Süßkirsche, gefolgt von rauchigen Noten, Kräutern, Zigarre, Rumtopf, Zartbitter, Backpflaume.
Im langen Nachhall fast haptische Textur des Weines, prägende gut eingebundene Tannine mit Finish von Nougat und dunklen Beeren.

Favorit. Sehr gelungen.

Speisen
Gebratenes Rinderfilet mit Schokoladen Jus, Speckbohnen, Topinambur-Püree; Lammrücken unter einer Kräuterkruste, Rotwein Jus, Zucchini-Paprikagemüse, Kartoffelgratin

 

2023 Puro Malbec (Bio)
Dieter Meier, Mendoza
€ 15,80 – 14,5% Vol.

Schöne Nase mit Noten von Cassis, Garrigue Kräuter, Liebstöckel, Menthol, eingelegte Pflaume, Jamaika Pfeffer, Zartbitter, Kirsche.
Am Gaumen weicher Auftakt von roten Beeren mit etwas Säure, abgelöst durch kräutrige Noten, mündend in Kirschkompott und Backpflaume.
Langer Nachhall mit sehr weichen prägenden Tanninen, Toastige Noten ergänzt um leichte Adstringenz mit Beerenfinish.

Klassiker. Sehr solide.

Speisen
Sou Vide gegartes Rinderfilet, Ragout von Palmenherzen, Kartoffelrösti; Wildscheinsteak, Rotwein Jus, Preiselbeeren, Rahmwirsing, Herzoginkartoffeln

 

Egon und Malbec

Es war wie immer eine schöne Reise begleitet von diversen köstlichen Happen.
Beim Verkosten haben wir allerdings herausgefunden, dass beim Erstellen der Kellerliste, ich schrieb darüber im letzten Jahr, bereits ein Malbec unsere Aufmerksamkeit fand. Er soll auch hier nicht fehlen.

2020 Château de Haute-Serre Malbec
Grand Vin Seigneur, Cahors AOP
Georges Vigouroux
€ 27,50 – 13 % Vol.

Üppige Nase von Waldboden, Nougat, Kakaopulver, Brombeere, Cassis, Teer, etwas Leder, Liebstöckel, Orangenceste, Schwarztee, Kaminrauch, Rosinen, etwas Vanille.
Frischer Gaumenauftakt, gefolgt von erdigen Noten, Tabak, Zimt, Gewürzen, mündend in Pflaume, Brombeere und prägenden Cassis Noten.
Langer weicher Nachhall mit feinem Muskat, Tabak und Röstaromen, filigranen Tanninen und ausgewogener Frucht.

Ein kleines Wunder, Malbec in perfekt ausgewogener Form. Jetzt trinken.

Speisen: Ossobuco vom Kalb mit Tomaten, Zwiebeln, Knoblauch geschmort, Safranrisotto; Rinderbäckchen, in Rotwein geschmort, mit Wurzelgemüse und Polenta

 

Egon und Malbec

Das Restaurant, das Egons Initialzündung hervorgerufen hat, ist übrigens das Ojo de Agua in Frankfurt, dessen Inhaber Dieter Meier unter anderem auch der Gründer der Band Yello ist, die in den frühen 1980ern als erste Band des Electronic Beat Musikgeschichte schrieb.

 

Bezugsquellen

Mövenpick

Chateau de Haute-Serre
Kaiken Malbec
Malbec Estate, Colomé
Puro, Dieter Meier

K&U Weinhalle

Cahors Croizillon
Malbec Adelante

Restaurant Ojo de Agua

Die WeinPlanerin. Wein und Speise. Korrespondierend oder Konträr.